- Geschrieben von Michi und tschani
An unserem Schlafplatz, direkt neben einem kristallklaren Bergsee eiszeitlichen Ursprungs, zwischen mit Moos bewachsenen Steinen, neben einem Wasserfall gelegen, bauten wir die auf Heidekraut gestellten Zelte ab und brachen zur zweiten Etappe auf.
Frohen Mutes bezwangen wir den ersten Anstieg, um die exquisite Aussicht über die südlichen Ausläufer der Lofoten zu genießen. Vor diesem traumhaften Panorama vollführte der Alex einige höchst akrobatische Übungen, die aber zum Glück weder ihm noch dem Panorama nachhaltigen Schaden zufügen konnten.
Wir wendeten uns gen Norden, um eine Talsohle zu durchschreiten. Der Abstieg ins Tal wurde dank der ausgezeichneten Ortskenntnis der Vorauseilenden zu einer mittelschweren alpinen Herausforderung, als wir nämlich glaubten, die Rucksäcke ungesichert eine Steilwand abseilen zu müssen, anstatt 20 m weiter einfach dem Weg weiter zu folgen. Mit dem Erreichen der Talsohle erreichte auch die Moral unserer sonst so wackeren Truppe den Tiefpunkt, da kundgetan wurde, dass das Essen rationiert werden müsse. Mit schwerem Herzen, aber umso leichterem Magen nahmen wir die Herausforderung des Aufstiegs aus dem Tal an, um auf der Höhe mit sommerlichen Schneefeldern belohnt zu werden. Eine kurze Schneeballschlacht später setzten wir unseren Weg durch diese unwirtliche und karge Landschaft fort. Da Chris, von Stund an der Überflieger genannt, unsere Melancholie nicht länger ertragen konnte, versuchte er, die Stimmung mit einer kleinen Flugeinlage zu verbessern, flog mit seinem Vorhaben jedoch wortwörtlich auf die Schnauze.
Wie das eben in Norwegen so ist, war wenig später schon wieder ein Abstieg angesagt. Entlang und abschnittweise auch auf einer Frischwasserpipeline laufend erreichten wir, unter hitzigen Diskussionen über den Pipelinebau im Allgemeinen, wieder Normalnull. In diesem Augenblick übermannte uns eine entsetzliche, gleichzeitig aber spürbar klare, durch nichts zu widerlegende Erkenntnis: Die letzten zwei Etappen, die wir ja nun nicht unbedingt auf dem linken Bein hüpfend hinter uns bringen durften, hätte auch durch eine einzige Etappe auf Normalnull entlang der Straße ersetzt werden können. Aber kommt es darauf denn wirklich an? Nein, und abermals nein! Wir sagen mit blutiger Nase und stolz geschwellter Brust: Der Weg ist das Ziel!
Durch einen Sumpf kämpften wir uns in ein verlassenes Fischerdorf, das dennoch stark bevölkert war. Ein Hund und sein Herrchen wedelten heftig mit dem Schwanz, denn freundlicherweise erklärte sich das Herrchen, der geldgeile Sack, bereit, gegen ein kleines Entgeld uns mit seinem Motorboot zum gegenüberliegenden Dorf über den Fjord zu setzen. Er überfjordete uns also, was norwegisch ist und ins Deutsche übersetzt ungefähr heißt: Touristen abzocken.
Auf der Suche nach einem Schlafplatz machte Philipp die Bekanntschaft mit einer Gruppe Gastarbeitern, deutschen Zimmermännern, welche uns mit den Worten „Pennt doch da wo ihr umfallt, macht jeder so hier, gilt ja schließlich Jedermannsrecht“ an den auf der anderen Inselseite liegenden Strand schickten, nachdem wir sie mit einigen wenigen Dosen voll deutschem Billigbier geschmiert hatten, welche johlend entgegengenommen wurden. Dazu mussten wir allerdings noch einmal einen Anstieg, nämlich eine Sanddüne erklimmen, was der Moral mal wieder sehr abträglich war. Die Aussicht jedoch auf eine geruhsame Nacht mit herrlichem Meeresblick, eine warme Mahlzeit im Bauch, für einige eine Gute-Nacht-Zigarette, aber vorrangig der Vorschlag, sämtliche übriggebliebenen Biervorräte zwecks Gewichtsreduktion (das glaubt uns doch keiner) zu vernichten, ließ unsere Laune schlagartig steigen. So fand auch dieser Fahrtentag ein versöhnliches Ende und ließ uns frohen Herzens dem nächsten Tag entgegenblicken.