Ich steige mit meinem riesigen Rucksack aus der U-Bahn aus und kämpfe mich damit durch die Menschenmassen am Hauptbahnhof, in meinem Kopf klingen dabei schon die Lieder, die ich am Wochenende endlich wieder hören werde. Ich bin auf dem Weg zu den Fernzuggleisen. Alex und ich waren uns schnell einig. Wir reisen entspannt zum ÜT-Vorbereitungstreffen an, indem wir mit dem Zug nach Spaichingen fahren und dann den schönen Weg gehen, von dem wir hoffen, dass ihn auch Ende September viele zu Fuß bewältigen, um zum ÜT anzureisen. In meinem Rucksack stoßen die zwei Bierflaschen aneinander, die ich für das Vesper eingepackt habe, das wir oben auf dem Dreifaltigkeitsberg mit herrlichem Ausblick genießen wollen.
Schon sehe ich Schasdela am Bahnsteig stehen. Sie hat – mein Glück – nicht nur die verräterische Klufthose an, die ein erster Hinweis auf einen bündischen Hintergrund ist, sondern trägt auch schon ihr Tuch, das sie untrüglich als Pfadfinderin zu erkennen gibt. Ich hatte zuvor etwas Angst, dass ich sie nicht mehr erkennen würde, weil ich sie erst beim vorletzten Treffen auf Martinfeld kennengelernt und dort mit ihr an einem Abend geredet habe. Das lag jedoch schon ewig zurück. Beim letzten Treffen konnte ich leider nicht anwesend sein, weil ich im Prüfungsstress steckte, doch jetzt sind die Ferien in Sicht und ich entspannt. So entspannt kann ich auch gleich mit ihr palavern, sodass sich auch meine zweite Angst – ja, ich bin ein ängstlicher Mensch – nicht bestätigt, dass wir uns nichts zu sagen hätten bis Alex, der neben dem ÜT unsere eigentliche Verbindung war, zusteigen sollte. Zwischen Bündischen gibt es einfach immer sofort mehr Berührungspunkte als zu der Mehrheit der Menschen aus der ‚normalen‘ Welt. Irgendwann steigt Alex dann aber natürlich doch zu und ich bin froh, ihn einmal außerhalb des Seminars für Lehrerbildung zu sehen. Auch er ist so entspannt wie seit Wochen nicht mehr, obwohl klar ist, dass wir nach diesem Wochenende wieder mehr Arbeit haben werden, weil in den Besprechungen der Arbeitskreise aufgedeckt werden wird, was noch alles zu erledigen ist bis zum Herbst.
Doch daran denken wir noch nicht, sondern wir verbringen eine kurzweilige Fahrt und steigen schließlich fröhlich in Spaichingen aus. Dort treffen wir auf weitere Gleichgesinnte, die sich jedoch mit dem Auto am Bahnhof abholen lassen, weil sie viel Gepäck für ihre anschließende Fahrt dabei haben. So wandern wir alleine den Berg hoch und merken dabei, dass wir nicht nur viel zu lange nicht auf Fahrt waren, sondern uns viel zu wenig bewegt haben, weil uns der Berg wirklich mehr außer Puste bringt als er sollte. In Norwegen und Russland sah das vor einigen Jahren noch anders aus. Doch bald sind wir oben und genießen wie geplant das Vesper, wobei Bewegung – und vielleicht auch Bier – unsere Stimmung nochmals heben. Die letzten paar Kilometer zum Hof sind dann nach dieser Stärkung nur noch ein Klacks.
Als wir schließlich vom Schäfertal kommend den Hof schon sehen, hören wir auch die ersten Stimmen. Es ist schon so dunkel, dass wir nahe an die Anwesenden herantreten müssen, um sie zu erkennen, doch selbst dann erkenne ich viele Gesichter nicht. Es sind Bündische aus ganz Deutschland gekommen und im Laufe des Wochenendes werden wir fast 100 Menschen. Nachdem die Freunde begrüßt sind und eine kurze Sitzung im Verein abgehalten ist, beginnt zu später Stunde dann aber doch noch im Rittersaal eine traditionelle, krachende Singerunde a la Zugvogel und die Zeit verfliegt, bis ich mich einen Platz zum Schlafen suche, der strategisch nicht allzu klug gewählt ist, weil ich am nächsten Morgen schnell gefunden und geweckt werde und das nicht, um beim Abladen der ca. 1000 Kohtenstangen zu helfen, die an diesem Wochenende geliefert werden. Es steht vielmehr schon die erste lange Sitzung im Plenum an, in der alle auf den neuesten Stand gebracht werden. Danach werden in den Arbeitskreisen Nägel mit Köpfen gemacht und diese zum Rauchen aufgrund der verbleibenden Probleme gebracht.
Letztendlich gehe ich wie erwartet von der fantastischen Stimmung beseelt mit einigen Aufgaben nach Hause, doch zunächst werde ich schlafen müssen, weil neben der Arbeit auch viel gesungen und vor allem wenig geschlafen wird. Doch so sind diese Wochenenden: Intensiv in jeder Hinsicht, denn nach der Arbeit muss auch mit diesen vortrefflichen Menschen gefeiert werden. Und so wird auch das ÜT werden.
Autor: quak